Haben Sie schon einmal das Gefühl gehabt, dass das Internet nur noch aus Robotern besteht, die mit Robotern sprechen? Nehmen wir an, Sie suchen nach etwas Bestimmtem – beispielsweise nach einer Antwort auf eine Frage zu einem medizinischen Thema – und spätestens auf der dritten Seite fühlt sich jede Antwort wie eine abgeänderte Kopie der vorherigen an. Und das gilt nicht nur für Fragen zum Thema Medizin. Versuchen Sie doch einmal, Erklärungen für Begriffe aus wie Systems Engineering oder Model-Based Systems Engineering (MBSE) zu suchen. Sie werden eine ganze Menge Definitionen finden, von denen die meisten verblüffend ähnlich klingen, so als ob sie von demselben Algorithmus stammen würden. Aber ob die Antworten auch plausibel und verständlich sind, wage ich zu bezweifeln. Versuchen wir also, das Thema auf eine etwas konkretere Weise anzugehen.
Systems Engineering und MBSE – was ist das?
Zur Probe auf das Exempel habe ich als Suchmaschine den KI-gestützten Bing Co-Pilot befragt – und folgende Antwort zum Thema Systems Engineering erhalten:
„Systems Engineering ist ein interdisziplinäres Gebiet der Ingenieurwissenschaften und des Managements, das sich mit der Konzeption, der Integration und der Verwaltung komplexer Systeme über deren Lebenszyklus befasst. Es stellt sicher, dass alle Systemkomponenten zusammenarbeiten, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen: Es umfasst die Schlüsselaspekte Anforderungsanalyse, Systemdesign, Systemintegration, Validierung und Verifizierung”
Klingt eigentlich ganz einleuchtend, wenn auch ein bisschen abstrakt: Beim Systems Engineering geht es im Wesentlichen darum, sicherzustellen, dass jedes Teil eines komplexen Systems – von den einzelnen Komponenten der Mechanik bis hin zu den softwaregesteuerten Funktionen – nahtlos zusammenarbeitet. Man denke beispielsweise an Raumfahrzeuge, Kraftfahrzeuge und Transportmittel oder medizinische Geräte – sie alle sind auf Systems Engineering angewiesen, um so zu funktionieren, wie es beabsichtigt ist. Lassen Sie uns nun darauf aufbauend einen Blick auf das Thema MBSE werfen. Folgende Antwort habe ich von Co-Pilot erhalten:
„Model Based Systems Engineering (MBSE) ist ein weiterentwickelter Ansatz für das Systems Engineering, bei dem digitale Modelle für die Konzeption, Analyse, Verifizierung und Validierung komplexer Systeme verwendet werden. MBSE ersetzt die traditionellen dokumentenbasierten Methoden durch vernetzte Modelle, die Anforderungen, Design und Analyse abdecken.“
Halten wir also fest: Systems Engineering ist dokumentenbasiert, Model Based Systems Engineering hingegen arbeitet mit miteinander verknüpften Modellen. Was aber ist ein Modell? Und wie unterscheidet es sich von einem Dokument?
Vom statischen Dokument zum vernetzten Modell
Der Hauptunterschied zwischen einem Dokument und einem Modell liegt in der Art und Weise, wie sie Informationen darstellen und verwalten. Ein Dokument ist ein statisches Artefakt, z. B. eine Spezifikation oder ein Report, das Informationen über ein System in einem textbasierten oder grafischen Format beschreibt. Dokumente sind eigenständige, nicht miteinander verbundene Darstellungen, die manuell aktualisiert und synchronisiert werden müssen, um die Konsistenz zwischen verwandten Artefakten zu gewährleisten. Sie sind in erster Linie deskriptiv und nur begrenzt in der Lage, Komplexität oder Änderungen effizient zu handhaben.
Im Gegensatz dazu ist ein Modell eine dynamische, vernetzte Darstellung eines Systems, die auf strukturierten Daten aufbaut und Elemente wie Anforderungen, Entwürfe und Funktionen beinhaltet. Modelle ermöglichen verschiedene Sichten und Detailebenen, so dass die Benutzer verschiedene Perspektiven untersuchen können, während eine zentrale Quelle der Wahrheit erhalten bleibt. Wird an einem Modell eine Änderung vorgenommen, so wird diese automatisch auf alle damit verbundenen Elemente übertragen. Dadurch wird die Konsistenz sichergestellt und die Fehlerquote verringert.
Während Dokumente im Wesentlichen statische Aufzeichnungen und Kommunikationsmittel sind, sind Modelle interaktiv und ablauffähig. Dadurch unterstützen sie weiterführende Funktionen wie Simulation, Validierung und Wirkungsanalyse. Diese Fähigkeit macht Modelle effektiver bei der Verwaltung komplexer Systeme, der Unterstützung der Zusammenarbeit und der Verbesserung der Rückverfolgbarkeit. Durch die Umstellung von Dokumenten auf Modelle steigert das Systems Engineering die Effizienz und verringert die mit manuellen Vorgängen verbundenen Risiken.
Warum findet sich MBSE noch nicht auf jedem Ingenieurs-Desktop?
Auf dem Papier sieht das Ersetzen statischer Dokumente durch dynamische, vernetzte Modelle geradezu revolutionär aus, fast so, als ob man mit MBSE allein bereits ein Raumfahrzeug oder ein modernes vernetztes Elektroauto bauen könnte. Aber wenn es so revolutionär ist, warum wird es dann nicht schon von jedem Ingenieur genutzt?
Das Problem ist folgendes: In der Technik gibt es selten dramatische Innovationssprünge. Es handelt sich vielmehr um einen iterativen Prozess, bei dem bereits Bewährtes verfeinert wird, und der auf technologischem und prozesstechnischem Know-how aufbaut, das über Jahrzehnte und Generationen von Ingenieuren aufgebaut worden ist. Viele Unternehmen bezeichnen dies als ihren Produktentstehungsprozess (kurz PEP) – ihre etablierte Vorgehensweise bei der Entwicklung neuer Produkte.
Der PEP ist in der Regel nicht in einem einzigen System abgebildet – er besteht vielmehr aus einem Geflecht interagierender Systeme, wie z. B. Requirements Management, Prozessmanagement, Supply Chain und Enterprise Resource Management, Produkt- oder Engineering Data Management, um nur einige davon zu nennen. Eine Teilmenge dieser Elemente umfasst das, was diese Unternehmen gemeinhin als ihr Product Lifecycle Management System bezeichnen – auch dies ist nicht in einer einzigen Softwareanwendung abgebildet (im Gegensatz zu dem, was Ihnen einige Anbieter gelegentlich weismachen wollen).
Wenn der Produktentstehungsprozess schwächelt
Solange der etablierte und bewährte PEP Ihres Unternehmens immer wieder neue Produkte hervorbringt, die in Bezug auf Preis, Leistung und Qualität auf dem Markt konkurrenzfähig sind, warum in aller Welt sollte man man dann eine zusätzliche Schicht in Form eines MBSE-Systems darauf setzen?
Wenn der PEP aber Anzeichen von Schwäche zeigt – wenn neue Produkte nur noch geringe Gewinnspannen erzielen, wenn es zu lange dauert, sie in die Produktion zu bringen, oder wenn sie von aufstrebenden Wettbewerbern ausgestochen werden – ändert sich die Situation. Dann – um noch einmal zu unserer eingangs erwähnten Frage zu einem medizinischen Problem zurückzukehren – ist unser Patient ernsthaft erkrankt, und es sind drastische Maßnahmen erforderlich.
Um solche drastischen Maßnahmen zu vermeiden, empfiehlt sich der Einsatz von Systems Engineering, um begleitend zu den alltäglichen Abläufen potenzielle Alternativen zu untersuchen und zu bewerten – und zwar nicht nur für das Produkt selbst, sondern auch für die Abläufe im Produktentstehungsprozess, um sicherzustellen, dass die technologische und kreative Kraft Ihres Unternehmens bestmöglich ausgeschöpft wird.
Den PEP zukunftssicher gestalten
MBSE ist nicht nur für „Mondlandungen“ geeignet. Wird es in Industriezweigen angewandt, in denen iteratives Entwickeln und Variantenanpassung zum Standard gehören – wie etwa im Maschinen-, Automatisierungs- oder Prozessanlagenbau – kann es erhebliche Vorteile bringen.
Von der Modellierung und Bewertung von Kundenanforderungen über die Identifizierung verfügbarer und verwendbarer Teilsysteme bis hin zur Beschleunigung des Angebots- und Ausschreibungsprozesses bietet MBSE alle Werkzeuge, um wichtige Geschäftsentscheidungen zu beschleunigen und die Wettbewerbsposition eines Unternehmens zu verbessern.
Es eignet sich auch hervorragend für den Umgang mit Unsicherheitsfaktoren. Wenn eine Systemkomponente oder Technologie einer laufenden Weiterentwicklung unterworfen ist, kann MBSE diese Ungewissheit in einem Modell abbilden und ihre Auswirkungen auf das Gesamtsystem bewerten.
MBSE ist jedoch keine Lösung, die von heute auf morgen zur Verfügung steht. Um das volle Potenzial auszuschöpfen, sind Zeit, Engagement und der Aufbau von Fachwissen erforderlich. Wie bei jedem modernen Werkzeug führt erst die Anwendung und Integration von MBSE in der Praxis zu nachhaltigen Ergebnissen.
Die Auswahl des richtigen MBSE-Tools
Der Markt bietet eine reichhaltige Auswahl an MBSE-Tools, aber nicht alle sind gleich. Bei der Bewertung der Alternativen sollten vor allem die Kernfunktionen im Vordergrund stehen: Anforderungsverwaltung, Abbildung der Systemarchitektur, Integration und Validierung. Zudem sollte sich das richtige Tool nahtlos in die Abläufe der Detailkonstruktion eines Unternehmens einfügen.
Eine der herausragenden Optionen ist GENESYS von Zuken. Es ist mehr als nur ein weiteres MBSE-Tool, denn es verbindet alle Modellelemente dynamisch miteinander und gewährleistet so die Konsistenz des gesamten Systems. GENESYS basiert auf der STRATA-Methode und der der Industrie-Standard Modellierungssprache SysML. Es lässt sich nahtlos in detaillierte Engineering-Workflows integrieren und ermöglicht einen reibungslosen Transfer von High-Level-Systemmodellen in die Detaillentwicklung in den hochdynamischen Disziplinen Elektronik und Elektrotechnik.
MBSE – eine Formel für ein zukunftssicheres Unternehmen
Auch wenn MBSE kein Zaubersmittel ist, so ist es doch eine wirksame Strategie zur Vorbereitung Ihres Unternehmens auf die Zukunft. Ob Sie nun innovative Produkte entwickeln oder bestehende Prozesse optimieren wollen, MBSE bietet einen strukturierten und effizienten Ansatz für den Umgang mit Komplexität und Unsicherheit. Mit Werkzeugen wie GENESYS stellen Sie sicher, dass Ihr Produktentstehungsprozess robust und leistungsfähig bleibt und den Anforderungen der Zukunft gerecht wird.allenges of tomorrow.
Weiterführende Lektüre
Zuken Website
White Paper
Blogs
- Mehr Effizienz im Lead-to-Order-Prozess: Kombination von Geschwindigkeit und Sorgfalt bei der Entscheidungsfindung mit Hilfe von MBSE
- Klärung von Anforderungen auf der Grundlage von MBSE
- Wie MBSE die Entwicklung nachhaltiger Produkte unterstützt
- Was ist vor der Einführung von MBSE zu beachten?
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