Derzeit gibt es eine Reihe von neuen Konzepten, mit denen die Produktentwicklung grundlegend verbessert werden kann. Eines dieser Konzepte, das besonders bei der Entwicklung von elektrischen und elektronischen Systemen vielversprechend ist, ist der Digitale Zwilling. Seit einiger Zeit wird darüber viel geredet, und vielfach herrscht auch erhebliche Verwirrung. Derzeit gibt es ein Reihe unterschiedlicher Definitionen für den Digitalen Zwilling. In diesem Beitrag wollen wir zwei dieser Ansätze vorstellen.
Der Digitale Zwilling als vollständige Produktdefinition
Die erste Definition des digitalen Zwillings bezieht sich auf eine vollständige digitale Abbildung eines Produkts. Sie umfasst 3D-Modelle und Simulationen für mechanische Hardware. Sie umfasst Diagramme, Schaltpläne und Layouts für Kabelbäume und Kabelpläne. Sie umfasst UML-Modelle und den Code ders embedded Software bis hin zu Systemmodellen und Simulationen. Anforderungen und Spezifikationen sind ebenfalls Teil dieser Definition des Digitalen Zwillings.
Die Definition und Verwaltung aller Modelle und Dokumente, die ein Produkt definieren, ist eine bereits eine komplexe Aufgabe. Doch sie wird aufgrund der Tatsache, dass jedes dieser Artefakte im Laufe der Zeit modifiziert wird, noch viel komplexer. Kleinere Änderungen sind Iterationen. Größere Änderungen sind Versionen. Einige dieser Elemente weisen gegenseitige Abhängigkeiten auf. Zum Beispiel basieren ein Platinenlayout und ein 3D-Baugruppenmodell auf den gleichen Informationen. Sie müssen übereinstimmen, auch wenn sie sich im Verlaufe von Iterationen und Versionen ändern.
Im Laufe der Zeit entsteht durch das Erfassen und Verwalten all dieser miteinander verbundenen Informationen so etwas wie ein Audit-Trail. Dieser zeigt, wie sich die vollständige digitale Definition des Produkts entwickelt hat. Das nennt man den Digital Thread. Der Digital Thread sorgt dafür, dass all diese verschiedenen Produktiterationen miteinander verbunden bleiben, anstatt wie bisher, getrennt von einander in verschiedenen Informationssilos abgelegt zu werden. Auf diese Weise sind alle Informationen während des gesamten Entwurfsprozesses besser zugänglich.
Die Vorteile eines Digitalen Zwillings liegen auf der Hand: Er bietet eine vollständige digitale Bezugsgröße, die allen Beteiligten und in jeder Phase zugänglich ist. Wenn alle Beteiligten Zugang zu den gleichen Informationen haben, ist das Fehlerrisiko deutlich geringer. Und da ein digitaler Zwilling einen stabilen Referenzpunkt beitet, können Prototypen auch gegen ihn geprüft werden. Es kann zum Beispiel überprüft werden, ob bestimmte Anforderungen erfüllt werden. Oder es können Probleme bei der Realisierung des Systems in der Prototypenphase vermieden werden, weil sie vorab in einer virtuellen Analyse entdeckt und behoben werden, ohne dass ein teurer Prototyp verworfen werden muss.
Der Digitale Zwilling als vernetzte Echtzeitsimulation
Die zweite Definition eines digitalen Zwillings betrifft eine in Echtzeit ablaufende Simulation, die durch IoT-Sensordaten angereichert werden, so dass der digitale Zwilling das Verhalten eines physischen Produkts detailiert emulieren kann. Virtuelle Sensoren, die Messungen aus der Simulation verarbeiten, bieten einen größeren Einblick in das Verhalten, als das physische Produkt allein.
Das Konzept, Sensorikdaten in der Simulation zu nutzen, gibt es schon seit ziemlich langer Zeit. Mit der zunehmenden Anwendung der IoT-Technologie hat es in letzter Zeit an Beachtung gewonnen. Geräte des täglichen Gebrauchs werden in zunehmendem Maße miteinander vernetzt, und das bedeutet, dass jede Sekunde riesige Datenmengen übertragen werden. Viele Unternehmen beschäftigen sich mit der Nutzung dieser Daten , um einen besseren Einblick in die Nutzung ihrer Produkte zu gewinnen.
Die Durchführung von Simulationen auf einer virtuellen Plattform hat viele Vorteile. Sobald das Produkt in Betrieb ist, können Daten in Echtzeit erfasst und interpretiert werden. Auf diese Weise können Probleme erkannt werden, bevor ein Schaden auftritt, anstatt eine Diagnose nach dem Schadensfall durchzuführen. Dies ist von entscheidender Bedeutung für alle Geschäftsmodelle, in denen Produkte als Dienstleistung angeboten werden und bei denen deshalb die Einsatzbereitschaft von höchster Bedeutung ist.
Nehmen Sie zum Beispiel ein neues Auto. Als Fahrzeughersteller möchten Sie einen Einblick in die Nutzung Ihres Produkts durch Ihre Kunden gewinnen. Wie nutzen sie es, und was kann verbessert werden? Auf diese Weise können sie beliebigen Mengen von Informationensammeln. Diese Daten wandern vom Auto zu einer Cloud-Plattform, wo anhand der Sensorikdaten Simulationen durchgeführt werden können, mit denen Verbesserungs ansatzt durchgespielt und bewertet werden könen.
Der größte Wert eines digitalen Zwillings liegt darin, tiefere Einblicke in sein Verhalten zu gewinnen. Wenn ein Produkt oder System mit Sensoren ausgerüstet wird, liefert das eine Vielzahl von Informationen. Wirklichen Wert erhalten diese Information aber erst, wenn sie mit einem digitalen Zwilling verknüpft sind, mit dem Verhaltensmodelle anhand von Daten aus der realen Welt analysiert und optimiert werden können.
Zusammenfassung
Wir haben zwei Definitionen des digitalen Zwillings diskutiert, die beide gleich wichtig sind. Ein Digitaler Zwilling als vollständige digitale Repräsentation des Produkts ist nützlich für die Konsistenz über verschiedene Organisationen innerhalb des Unternehmens hinweg. Es besteht ein höheres Maß an Klarheit über die detaillierte Gestaltung eine Produkts. Wenn der Digitale Zwilling mit Sensordaten angereichert wird, können Simulationen wertvolle Einblicke in mögliche zukünftige Probleme geben, die beim praktischen Einsatz auftreten können. Beide Konzepte des Digitalen Zwillings werden dazu beitragen, das elektrische und elektronische Design in der Zukunft zu verbessern.